Plus Size ist das neue Sexy
Es geht rund in der Modewelt – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Curvy- und Plus-Size-Models sind längst keine Ausnahmeerscheinung mehr, sondern wohltuende Normalität. Auch wenn der Hang zu mehr Fülle nicht neu ist, so setzen kurvige Superstars neue Maßstäbe hinsichtlich Body Positivity und machen Platz für neue Schönheitsideale innerhalb der Gesellschaft.
Was wir von Plus-Size-Models lernen können und wie dieser Trend neuen Aufschwung erhalten hat, verraten wir Ihnen in diesem Beitrag.
von mey 10.08.2022
Fakten zu Plus Size und Curvy
Zunächst muss einmal festgehalten werden, dass die Begriffe „Plus Size“, „Curvy“ oder „Große Größen“ synonym verwendet werden. Welche Maße genau eine Person zum "Übergrößen-" oder "Kurvigen" Model machen, ist jedoch nicht genau definiert. Während einige Agenturen bereits Konfektionsgröße 38 als "curvy" werten, vermarkten andere ihre Klientinnen erst mit einer Kleidergröße über 40 unter "plus size".
Auch bezüglich der Körperlänge herrscht Uneinigkeit. Prinzipiell sollten Models mit Übergröße nicht kleiner als 1,75 m sein; besser aber darüber liegen und mindestens 180 Zentimeter messen. Die deutsche Durchschnittsfrau bringt es bei einer Körperlänge von 163,5 cm auf knapp 71 kg. Ihre Kleidung kauft sie in Konfektionsgröße 42/44 und ihre BHs nach dem Schema 80-C.
Parallel dazu betonen die meisten Agenturen, wie wichtig ihnen die Ausstrahlung ist. Sie erwarten von einem Curvy-Model, dass es zu seinen Pfunden steht, sich im Körper wohlfühlt und jede Menge Charisma besitzt. Das soll auf Betrachterinnen abfärben und nicht nur den Verkauf der Mode anregen, sondern auch auf das Thema „Body Positivity“ in der Gesellschaft Aufmerksam machen.
Der Siegeszug des Curvy-Styles
Auch wenn viele Frauen sich im normalen Alltag nicht wie ein Supermodel präsentieren, so hat diese neue Bewegung doch eindeutige, positive Effekte: Sie verschieben die sogenannten „Idealvorstellung“ in Richtung Realität. Da Models auch über die Sozialen Medien eine hohe Reichweite haben, kann dieses neue Körpergefühl an eine Vielzahl unterschiedlicher Anspruchsgruppen kommuniziert werden. Das hat einen ganz klaren Einfluss darauf, welche Proportionen wir innerhalb der Gesellschaft als „ideal“ wahrnehmen.
Der weltweite Siegeszug des Curvy-Styles sorgt so für eine breite eine Akzeptanz. Besonders in den sozialen Netzwerken wird das Thema Schönheit diskutiert. So ist auch der Begriff „Body Shaming“ immer mehr in den Vordergrund gerückt. Durch das Anwenden von Filtern wird hier vor allem jungen Frauen ein falsches Bild davon vermittelt, was als Schön empfunden wird – und was nicht.
„Curvy Models“ bilden hier eine Art Gegenbewegung, die auch eine wichtige Rolle in der aktuellen Auseinandersetzung rund um das Thema Body Positivity spielt.
Aller Anfang ist echt
Der Anfang der modernen Curvy-Bewegung war so vielversprechend wie genial: Ein namhafter Kosmetik-Konzern ließ seine Produkte von echten Frauen bewerben. Neben jungen und schlanken Vertreterinnen posierten füllige und faltige Damen vor der Kamera; Menschen jeder Hautfarbe, Altersklasse und Körperfülle gaben der Pflegelinie ihr Gesicht.
Die Aufmerksamkeit war groß, die Resonanz wohlwollend und die Nachfolge-Kampagne setzte sogar noch einen drauf: Bei der Auswahl weiterer Marken-Botschafterinnen orientierte der Konzern sich nicht mehr am Äußeren der Models, sondern nur noch an ihrer persönlichen Geschichte. Jede, die ihren Geschlechtsgenossinnen etwas Wichtiges mitteilen wollte, durfte vor die Fotografen treten - die die Frauen in diesem Moment das erste Mal zu Gesicht bekamen.
Plus Size und Curvy als Gegenentwurf zum BMI
Aus dieser Zeit stammt auch ein Wert, der zuvor lediglich statistischen Zwecken diente: der berühmt-berüchtigte Body-Mass-Index, kurz BMI. Er wurde von einem Mathematiker lanciert, der den Zusammenhang zwischen Ernährung, körperlicher Entwicklung und Krankheitsanfälligkeit erfassen wollte. Dafür reichte die Formel Gewicht / (Größe x Größe) vollkommen aus.
Sie berücksichtigt aber weder das Geschlecht noch die allgemeine Statur oder den Trainingszustand eines Menschen; von seinem individuellen Körperfettanteil, der ebenso individuellen Knochendichte oder anderen markanten Körpermerkmalen ganz zu schweigen. Auch genetische Faktoren werden durch den BMI nicht erfasst.
Dennoch etablierte sich das Rechenmodell als Marker für Gesundheit, Fitness und Wohlbefinden - denn eine US-amerikanische Lebensversicherungsgesellschaft hatte herausgefunden, dass sich damit Geld sparen lässt. Die Höhe ihrer Prämien orientierte sich am BMI der Klient*innen. Wer einen hohen Wert auswies, musste für die gleiche Leistung deutlich mehr zahlen, weil er/sie als risikobehaftet galt.
Ein Irrtum, an dem Ärzte, Model-Agenturen und deutsche Behörden bis heute festhalten. In einigen Bundesländern werden Beamten-Anwärter*innen noch immer einem "BMI-Test" unterzogen. Fällt er schlecht - also im Ergebnis zu hoch - aus, müssen sie auf den begehrten Status als Staatsdiener*in verzichten.
Das individuelle Maß für Schönheit
Zum Glück wird die (Un-) Gültigkeit des Body-Mass-Index schon lange diskutiert, denn zahlreiche Studien-Auswertungen widersprechen der starren Berechnung aus Körpergröße und Gewicht. Die Ergebnisse riesiger Datenmengen führen zu dem Schluss, dass der Ausbruch von Krankheiten und bestimmte Alterserscheinungen nicht zwingend an den BMI gekoppelt sind.
Im Gegenteil: Vielen Beschwerden lässt sich durch einen höheren oder niedrigeren Wert vorbeugen, sodass sie verhindert bzw. gelindert werden können. Die Schwachstellen der einfachen Formel haben Mediziner*innen mittlerweile so gut durchschaut, dass sie heute sogar Amputationen bei der BMI-Ermittlung berücksichtigen.
Eine durchaus logische Konsequenz, denn ein fehlender Arm oder ein halbes Bein verändern den Wert erheblich. Aber auch starke Bemuskelung, schwere Gelenke oder ein hoher Bewegungsdrang wirken sich auf den Body-Mass-Index aus und müssen daher ebenfalls in die Berechnung einfließen.
Was liegt da näher, als auch persönliche Empfindungen zu respektieren? Wenn Sie sich wohl fühlen in Ihrer Haut und gemocht werden wie Sie sind, ist das der stärkste Seelen-Booster überhaupt. In einem solchen Fall können Ihnen Schönheitsideale oder die Einstufung nach Model-Größen vollkommen egal sein.
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